Das Eisbergmodell – Kompetenz durch Selbsterkenntnis

Birgitta Fildhaut

Veröffentlicht am: 1. Juni 20247,4 Minuten Lesezeit

„Warum ist das schon wieder schiefgelaufen? Ich habe mich doch so gut vorbereitet!“

Nach ihrem Jobinterview auf eine interne Stellenausschreibung hin gehen Nora K. diese und eine ganze Reihe anderer Fragen durch den Kopf. Sie beschließt, ihnen in einem Coaching auf den Grund zu gehen, weil sie damit alleine nicht weiterkommt. – Wie das Eisbergmodell ihr geholfen hat, gute Antworten zu finden, lest Ihr in diesem Blogbeitrag.

„Was ist schief gelaufen bei meiner Bewerbung? Ich hatte doch so gute Karten! Mein Profil passte perfekt auf die Stelle. Und eigentlich war ich auch mal dran – nach allem, was ich für die Firma geleistet habe in den vergangenen Jahren!“, grübelt Nora K. Solche Gedanken sind völlig legitim, aber wer mit so einer Haltung in ein Jobinterview geht, verringert seine Chancen. Diese Anspruchshaltung wird für andere spürbar – auch, wenn Ihr es schafft, ganz freundlich zu bleiben. Manche nehmen diese innere Einstellung ihres Gegenübers bewusst wahr, bei anderen entsteht nur ein undeutliches Gefühl: etwa von dem Druck, der aufgebaut wird. Oder es formt sich eine unbestimmte, aber ablehnende Haltung beim Gesprächspartner.

Der „innere“ Eisberg sorgt für den Aha-Effekt

Ich erkläre Nora K. diese Dynamik im Coaching anhand eines Bildes. In der Kommunikation ist es wie bei einem Eisberg: Man sieht nur das Wenige, das über der Wasseroberfläche ist, das Wesentliche liegt darunter verborgen.

Viele Faktoren beeinflussen unser Denken, Fühlen und Handeln. Nur ein kleiner Teil davon ist uns bewusst, so wie wir nur die Spitze des Eisbergs sehen können. Hierzu zählen Zahlen, Daten, Fakten und das gesprochene Wort. Ein großer Teil ist uns wenig oder gänzlich unbewusst, gleich dem mächtigen Sockel des Eisbergs unter der Wasseroberfläche. Wir handeln zumeist aus scheinbar rationalen Gründen oder aber intuitiv, aus reinem Bauchgefühl heraus, ohne uns unsere Motive klarzumachen.

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So verhält sich auch Nora K. Sie hat bei der Vorbereitung an Vieles gedacht: ihre Qualifikationen, ihre spezielle Eignung für die Aufgabe, ihre guten Kenntnisse des Unternehmens – und wie sie das alles am besten im Gespräch präsentiert. Einen Teil ihrer Motivation hat sie sich im Vorhinein weniger klar gemacht: Seit Jahren sind andere Kolleginnen und Kollegen an ihr vorbei befördert worden. Das hat sie zum Teil als ungerecht erlebt, gefolgt von dem Gedanken, dass ihr die Firma nun etwas schuldig sei. Erlebt hat sie diesen Gedanken aber als das Gefühl, zurückgesetzt worden zu sein, sie ist wütend und beschämt. Ihr Bedürfnis nach Anerkennung wurde mehrfach gekränkt. Diese Gemengelage wirkt sich auf die Beziehungsebene im Jobinterview aus.

Die unter der Wasseroberfläche brodelnden Themen vermitteln sich im Gespräch unter anderem über nonverbale Faktoren wie Mimik, Gestik und die Stimmmodulation – sowie über Mikrobewegungen wie Muskelanspannungen, kleine Gewichtsverlagerungen oder das Herumrutschen auf dem Stuhl. Auch die Atmung, die sich plötzlich vertieft oder stockt, ist für das Gegenüber spürbar. Alle diese über die Körpersprache vermittelten Faktoren werden meist nur unbewusst wahrgenommen, denn unsere Aufmerksamkeit liegt eher auf den Inhalten. Lediglich sehr aufmerksame oder geschulte Menschen nehmen diese Signale bewusst wahr.

Wie kann Coaching beim Erkunden des Eisbergs unterstützen?

Ich frage Nora K. nach ihren Gefühlen nach der Job-Absage. Damit beginnen wir, den verborgenen Teil des Eisbergs zu erkunden. Ihre Wut über die Absage ist Nora K. sehr bewusst, aber erst im weiteren Verlauf des Coachinggespräches kann sie Trauer und Verletzung spüren. Nora K. erkennt den inneren Zusammenhang mit ihrer Familiengeschichte. Sie ist dort zu kurz gekommen: verständlich aufgrund des Aufwachsens mit einem kranken Bruder, der über Jahre lange Zeiten im Krankenhaus verbringen musste und die Fürsorge der Eltern in besonderem Maße gebraucht und beansprucht hat. Als ältere Schwester hat Nora K. ihre Gefühle damals weggesteckt und überwiegend vernünftig reagiert. Auch dieses Verhalten ist gut nachvollziehbar, denn Kinder sind auf ein – zumindest einigermaßen – funktionierendes Familienleben angewiesen und tun in der Regel viel dafür, um dieses System nicht noch weiter zu belasten. Das Gefühl des Zu-kurz-Gekommenseins ist dadurch für Nora K. tief unter die Wasseroberfläche gesunken.

Stellt Euch nun vor, dass ein Schiff den Eisberg dicht unter der Oberfläche rammt: Der gesamte Berg wird davon erschüttert. Solche Vorgänge – in der Psychologie spricht man von „reizauslösenden Ereignissen“ – regen die unbewusste Ebene an. Solch ein reizauslösendes Ereignis war die Absage nach dem Jobinterview für Nora K. Seitdem war ihre Gefühlslage erschüttert.

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Neue Einsichten für Nora K. und Klärung der eigenen Haltung

Es hat Nora K. sehr erleichtert, sich ihrer zunächst verborgenen Gefühle bewusst zu werden, die Zusammenhänge sehen zu können und eine Verbindung zwischen den verdrängten Themen in der Ursprungsfamilie und den aktuellen im Unternehmen zu ziehen. So kann sie im Nachhinein Empathie für sich selbst als kleines Mädchen entwickeln. Diese neue Einsicht nimmt zudem ihrer aktuellen Situation im Unternehmen die Schärfe – nämlich, dass ihre Vorgesetzten die begehrte Stelle anderweitig besetzt haben. Nora K. kann nun erkennen, dass sie im Jobinterview unnötigen Druck aufgebaut hat, durch den sich ihr Gegenüber möglicherweise manipuliert gefühlt hat, dass sie unentspannt war und in ihrer Siegesgewissheit ihre Stärken während des Gesprächs nicht sorgfältig genug herausgearbeitet hat.

Ihre Haltung zum Geschehenen hat sich im Laufe des Coachinggespräches verändert und geklärt. Nora K. kann die Firma daraufhin aus der Rolle entlassen, dass sie ihr noch etwas schuldig sei. Und sie traut sich zu, bei nächster Gelegenheit wieder ihren Hut in den Ring zu werfen und Jobinterviews sowohl sachlicher als auch spielerischer anzugehen.

Fehler erweitern die Selbsterkenntnis – Erkenntnis erweitert die Kompetenz

Wie Ihr seht, braucht es im Vorfeld gar nicht die Auseinandersetzung mit sämtlichen Aspekten des Eisbergs unter der Wasseroberfläche. Das Beispiel zeigt, wie bereits das Drehen an EINER Stellschraube das Miteinander verändert. Perfektionismus ist unangebracht und würde nur Stress auslösen. – Einfühlung in sich selbst und auch ins Gegenüber lohnt sich umso mehr. Nora K. hat der Klärung ihres inneren Konfliktes viel über sich selbst gelernt. Diese neuen Erkenntnisse werden ihr auch in anderen Situationen helfen, sich selbst besser zu steuern und sich auf wichtige Gespräche angemessener vorzubereiten.

Erfolgreiche Coachingverläufe, bei denen es um Konflikte in der Kommunikation geht, habe ich im Laufe meines langen Arbeitslebens immer wieder erleben dürfen. Daher weiß ich, dass auch Gespräche in schwierigen Situationen gelingen können.

Auch in vielen anderen Coachingsituationen kommt das Eisbergmodell als Erklärungshilfe und hilfreicher Einstieg in die Arbeit zum Einsatz. Typisch sind etwa auch kollegiale Konflikte wie: „Ich wollte doch nur mal eben etwas besprechen mit X., und schon sind wir mal wieder mittendrin in einem Konfliktgespräch, das zu eskalieren droht.“

Und noch ein Beispiel aus dem Führungsalltag: „Das habe ich doch klipp und klar gesagt! Warum tun meine Mitarbeitenden das dann nicht? Was gibt es daran denn falsch zu verstehen?“ So manche Führungskraft ist an Appellen, die ins Leere laufen, schon verzweifelt. Hilfreich ist es auch in dem Fall, einen Blick auf die eigenen inneren Ambivalenzen zu richten, die mitschwingen: beispielsweise, dass ich es selbst besser kann, dass ich Zweifel habe, dass meine Mitarbeitenden diesmal wirklich das tun, mit dem ich sie beauftrage.

Oft nutze ich im weiteren Verlauf des Coachings einen weiteren Klassiker der Erklärmodelle: das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun – auch bekannt als „Vier-Ohren-Modell“. Schulz von Thun stellt darauf ab, dass neben der Sachebene einer Äußerung auch stets eine Aussage über die Beziehung mitschwingt, sowie ein Appell und eine Selbstaussage der sprechenden Person. Wer neugierig auf dieses Modell ist, findet hier weitere Ausführungen:

Damit Kommunikation gelingt – syspo excellence unterstützt professionell

Kommunikation ist komplex – manchmal gerate ich heute noch ins Staunen, wie oft sie dennoch „einfach so“ gelingt. Und ich bin fasziniert davon, mit wie wenig Aufwand sich oftmals verquere Situationen wieder in konstruktive Bahnen lenken lassen.

Falls Du Fragen zu diesen oder ähnlichen Themen hast, mal an einem Punkt festhängst und Dich fragst, ob ein Coaching für Deine Situation hilfreich sein könnte, freuen wir bei syspo excellence uns über Deine unverbindliche Kontaktaufnahme.

Mich erreichst Du direkt über b.fildhaut@syspoexcellence.de oder unter +49 174 5278061. Melde Dich einfach, um mehr über unser Angebot und unsere Arbeitsweise zu erfahren und, wenn Dir das zusagt, bei Bedarf einen persönlichen Gesprächstermin zu vereinbaren.

Autorin: Birgitta Fildhaut

Senior Coach bei syspo excellence

Diplom-Sozialwissenschaftlerin, psychodynamisch-systemischer Hintergrund, lösungsorientiert und empathisch. Mitglied im DBVC und IOBC. Mehr Informationen unter www.fildhaut-consult.de

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