Chancen 50 Plus
Christine Kroj
Neustart mit Ende 50. Keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt oder doch nur ein Vorurteil?
„In meinem Alter habe ich ohnehin keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt. Man sieht meinen Jahrgang, und die Absage ist so gut wie sicher“.
Diese Aussage hören wir als Beratende für berufliche Veränderungen sehr häufig. Nicht immer liegen dieser Einschätzung Erfahrungen aus vergangenen Bewerbungsprozessen zugrunde – geringere Chancen in höherem Lebensalter scheinen für viele Menschen in der Neuorientierung ein Fakt zu sein.
Unterschätzen Unternehmen das Potenzial von 50plus-Fachkräften tatsächlich oder hat sich heute in Zeiten des Fachkräftemangels und der viel zitierten demographischen Entwicklung die Haltung in den Human Ressource Abteilungen verändert? Die Politik diskutiert das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre zu erhöhen und appelliert an Unternehmen, mehr ältere Mitarbeitende einzustellen. Auch die verlängerte Lebensarbeitszeit müsste dazu führen, die Gruppe 50plus stärker in den Focus zu rücken. Verfolgt man die Diskussion über das Thema Jobwechsel mit 50plus in den sozialen Medien, sprechen Headhunter davon, dass sie Fachkräfte auch mit über 60 vermitteln, was laut ihren Aussagen vor Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre.
Was denn nun?
Hat die Gruppe der 50+ Mitarbeitenden aktuell bessere Chancen denn je oder beschränken sich Unternehmen bei ihrer Personalsuche auf Personen, die eine gewisse Altersgrenze nicht überschritten haben?
Sicher ist, wer sich mit Ende 50 noch einmal auf Jobsuche begibt, hat es schwerer als in jüngeren Jahren. Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Schritt oft nicht freiwillig ist. Durch Umstrukturierung und einem damit verbundenen Stellenabbau ist es notwendig, sich neu zu orientieren. Demzufolge kommen Betroffene mit Gefühlen wie Enttäuschung, Ohnmacht und Wut auf den Arbeitgeber, bei dem sie viele Jahre gute Arbeit geleistet haben, zu uns in die Beratung.
Wie kann berufliche Neuorientierung funktionieren?
Selbstmarketing: wichtiger, aber nicht der entscheidende Faktor?
Gibt mein Lebenslauf meine Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen wieder, bezieht sich mein Bewerbungsschreiben auf die ausgeschriebene Stelle, spiegelt es kurz und prägnant meine Passgenauigkeit auf die Stelle wieder? Wie bereite ich mich auf Vorstellungsgespräche vor? Brauche ich ein aussagefähiges XING- / LinkedIn-Profil usw.
Diese eher „technischen“ Aspekte sind in der Regel die ersten Themen, die Jobsuchende im Kopf haben, wenn es um ihre Neuorientierung geht. Und bekannterweise spielen diese bei jedem Jobwechsel auch eine Rolle, neben anderen Faktoren. Zunächst setzen sie jedoch das Wissen über das, was ich mitbringe, voraus.
Standortbestimmung: „Was kann ich?“
Bevor ich auf den Markt gehe, muss ich wissen, was ich überhaupt anbieten kann und will…
Die Bestandsaufnahme, also die Auseinandersetzung mit den eigenen Fähigkeiten und Kenntnissen, hat einerseits kognitive Aspekte. Sie schafft Transparenz, Klarheit und das Bewusstsein für die eignen Ressourcen. Für viele Klient:innen ist die Auseinandersetzung mit den eigenen Kompetenzen völlig neu. Die Erkenntnis: „Ich kann ja viel mehr als ich dachte“ ermöglicht ein positives Selbsterleben. Speziell für Mitarbeitende, die sehr lange in ihrer jetzigen Position bzw. bei ihrem Arbeitgeber tätig waren, ist es ein Schritt von der Defizithaltung („ich mache seit Jahren immer das Gleiche, ich kann gar nichts Besonderes…“) in eine positive Selbstwahrnehmung.
Der Erfolgskreislauf: Die Steigerung des Selbstwertes
Ein Beispiel für die Stärkung des Selbstwertes und das positive Selbsterleben der eigenen Kompetenzen ist der Erfolgskreislauf. Dem Modell „Erfolgskreislauf“ liegt ein Konzept zugrunde, das die Selbstwahrnehmung erhöht und so zur Steigerung des Selbstwertes beiträgt. Es basiert auf der Annahme, dass Erfolg und Selbstwertgefühl in einer sich gegenseitig verstärkenden Beziehung stehen.
Der Erfolgskreislauf beginnt mit dem Erinnern an eigene Erfolge, positive berufliche Leistungen und Erfahrungen. Durch das Erinnern an gelungene Ergebnisse durch den Einsatz eigener Fähigkeiten, entsteht eine größere Selbstwahrnehmung. Ich mache mir bewusst, was ich bereits geleistet und geschafft habe. Bewerten wir unsere eigenen Leistungen positiv, gehen wir eher davon aus, auch bei zukünftigen Herausforderungen erfolgreich sein zu können. Die positive Erwartung auf Erfolg wiederum führt dazu, dass wir neue Vorhaben eher angehen und damit wieder Erfolge erzielen.
Die erlebten Erfolge und die erhaltene Bestätigung führen wiederum zu einer weiteren Stärkung des Selbstwertgefühls. Man gewinnt mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und fühlt sich kompetenter und wertgeschätzter. Mit dem gestärkten Selbstwertgefühl kann man Neues noch optimistischer und entschlossener angehen, was wiederum zu weiteren Erfolgen führt. Der Kreislauf beginnt von neuem, die Stärkung des Selbst erhöht die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Erfolge. Dadurch wird eine nachhaltige Erfolgsdynamik in Gang gesetzt, die eine persönliche und berufliche Weiterentwicklung positiv beeinflusst.
Im individuellen Coaching und in Workshops arbeiten wir mit Modellen bzw. Konzepten, die unsere Klient:innen darin bestärken, ihre eigenen Ressourcen zu erforschen, ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstwirksamkeit auf- bzw. auszubauen. Wir freuen uns, Menschen dabei zu unterstützen, ihren ganz persönlichen Weg in eine neue berufliche Perspektive zu entwickeln und erfolgreich zu meistern.
Autorin: Christine Kroj, Senior Beraterin bei syspo excellence